„Giulias“ Halbzeitbilanz – in der Pro Thunder Open der Sportbike Masters Serie.

Nachdem wir aufgrund des neu eingeführten Hubraumlimits in der Pro Thunder Kategorie mit unserem Projektbike „Giulia“ in die Open-Wertung zwangsaufsteigen mussten, standen die Erfolgsaussichten für 2017 nicht mehr besonders gut. 175 PS und 136 NM, in der nun ungedrosselten Version, sind zwar erstmal ein Wort, aber bei den Openbikes mit bis zu 200PS und ausgeklügelter Elektronik leider nicht mehr Stand der Technik. Als Franky sich Ende Februar dann noch die Achillessehne gerissen hatte wollten wir die Saison eigentlich schon komplett abhaken.
Da sich der Genesungsverlauf jedoch deutlich besser als prognostiziert darstellte, konnten wir vor dem ersten Saisonlauf dann doch zumindest mal die grundsätzlichen Abstimmungsarbeiten bei einer Testfahrt vornehmen. Jedoch stellte sich hier bereits heraus, dass wir ein Problem im Fahrwerk haben werden. Franky´s Kondition war zudem Zeitpunkt auch noch nicht die Beste, da er zudem Zeitpunkt auch die Krücken erst zwei Wochen vorher in die Ecke stellen konnte.

 

So gingen wir dann mit gemischten Gefühlen am dritten Maiwochenende zum ersten Rennen nach Hockenheim. Mit massiven Fahrwerksproblemen pendelten wir durch die Parabolika und Franky versuchte die wilde „Giulia“ einigermaßen zu zähmen. Im ersten Lauf führte dies zu einem soliden 5. Platz und im zweiten Lauf zu einem Sturz beim Kampf um Platz 4. Aufgrund des Abbruchs wurden wir trotzdem noch in der Wertung auf dem 5. Platz geführt. Franky war ziemlich auf den Kopf geknallt und benötigte ein paar Stunden, bis alles wieder einigermaßen sortiert war. Die Schäden an Giulia (Lenkerstummel, Fußraste, WaPuDeckel , Verkleidung links) waren sehr gering, so dass nach einem halben Tag Arbeit Giulia wieder fahrbereit war. Franky bekam von seinem Helmausrüster HJC per Express einen neuen Helm zu Vorzugskonditionen zugesendet. Vier Tage nach dem Sturz konnte dann bereits die Abfahrt zum nächsten Rennlauf nach Assen starten.

 

Bei den Ducaticlubraces hatten wir uns zusätzliche Trainingszeit am Freitag gegönnt, um zum einen den Sturz aus dem Kopf zu fahren und zum anderen die Fahrwerksproblematik besser in den Griff zu bekommen. Wir bauten am Fahrwerk hin und her. Vor und zurück, rauf und runter, aber am Ende konnte man sich aussuchen, welches Problem man lieber haben möchte. Kein Gefühl für die Front und dafür Grip an der Hinterhand oder ein gutes Gefühl für den Vorderreifen und damit dann aber leichte Gripprobleme am Heck. Egal wie man sich entscheidet, die letzten Zehntel und auch Sekunden lassen sich so nicht finden. Somit fuhren wir abermals mit zwei glücklichen 5. Plätzen nach Hause.
Bis zur Saisonhalbzeit in Oschersleben waren es dann auch schon nur noch 14 Tage und uns rauchten die Köpfe. Zur Situation: Wir haben mehr Spitzenleistung und mehr Drehmoment als die damaligen Werkskisten von Ducati, Fahren aber mit einer Serienschwinge und einer seriennahen 1098 Gabel herum. Wir brauchen dringend eine längere Schwinge um die Leistung besser auf den Boden zu bekommen und trotzdem das Gefühl für die Vorderhand zu erhalten. Nachdem unser Budget 2017 auch nicht sehr üppig ausfällt, mussten wir leider einsehen, dass wir im Verlauf der Saison diese Optimierung nicht mehr umsetzen werden können. Also stellten wir das Fahrwerk auf den bestmöglichen Kompromiss ein und versuchten das Beste rauszuholen. Mit viel Einsatz und Mut konnte Franky einen 9. und erneut einen 5. Platz in der Magdeburger Börde einfahren. Was langweilig klingt wurde aber mühsam mit „letzte Kurve“ -Manövern gegen Scheel und Carlström erarbeitet.

Was bleibt nun als Zwischenfazit? Als erstes macht es irre viel Spaß „Giulia“ zu fahren, wenn es nicht um die letzte Zehntelsekunde geht. Ein gutes, ehrliches Motorrad mit viel „Dampf und Qualm“- aus den Ecken raus. Die 1200 Kubik erlauben auch schon mal einen nicht 100ig passenden Gang, das Drehmoment wird es schon richten. Die Bazzas-Traktionskontrolle und der dazugehörige Schaltautomat arbeiten zufriedenstellend. Sie regeln nicht so fein und sind nicht so präzise wie die vielen Helferlein die es heute schon bereits ab Werk gibt, aber für so ein Charakterbike passt es genau. Eigentlich möchte ich kein anderes Motorrad fahren. Eigentlich!

Denn wenn man es genau betrachtet, dann ist für uns mit Platz 5 das Ende der Fahnenstange in der Open Wertung erreicht. Wenn die Aprilias RSV4´s keine Probleme haben und alle ins Ziel kommen, dann ist für uns aus eigener Kraft kaum eine bessere Platzierung möglich. Durch unsere Konstanz und das nötige Rennglück liegen wir in der Meisterschaft aktuell auf dem 4. Rang. Was aber nicht das tatsächliche Ergebnis und die Leistungsfähigkeit wiederspiegelt.
Der Leistungsmangel (hätte ich auch nie Gedacht bei 175 PS von Leistungsmangel sprechen zu müssen) führt dann dazu, dass man dazu neigt das Motorrad zu überfahren und so das Sturzrisiko deutlich steigt. Eigentlich unnötig.
Wie geht es nun weiter? Nun, man könnte jetzt versuchen jede Menge Geld in Giulia zu investieren. Zunächst in die andere Schwinge, dann wird darauf folgend sicherlich an der Front optimiert werden müssen, anschließend wird die Motorleistung das nächste Thema und zum Finale dann die Elektronik. Wenn man das Ganze nüchtern betrachtet, wird dies alles viel Geld, nein sogar sehr viel Geld kosten und auch Zeit, sowie Abstimmarbeit. In wieweit dies sinnvoll ist, wenn man für rundweg 10.000€ ein gebrauchtes Serienbike aus der Kiste bekommt, das sehr gut funktioniert und mit ausgereifter Elektronik evtl. nur noch einen Fahrwerksservice benötigt , muss jeder selbst entscheiden. Und weil wir das nun beim Festival Italia auch erkannt haben, ist in Franky der Plan gereift für 2018 auch auf eine Aprilia RSV 4 umzusteigen.

Hierzu muss natürlich Giulia erstmal den Stall verlassen. Wer also ein tolles Spaßbike für Renntrainings sucht ohne auf die letzte Zehntelsekunde fixiert zu sein, der kann hier einen soliden Renner für sich erwerben. Nach dem Saisonabschluss zum Biketoberfest kann Giulia bereits in Empfang genommen werden.
Es ist eine interessante Projektidee, aber leider fehlen uns die notwendigen Ressourcen um dieses Projekt so weiter zu entwickeln. Es ist etwas für Enthusiasten, mit dem passenden Geldbeutel dazu.

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